Realitätsflucht als Überlebenstechnik: Bildet „Der Inselmann“ von Dirk Gieselmann über eine Kindheit in der DDR die Gegenbewegung zur Autofiktion?
Recht genau in der Mitte dieses Romans beschließt Hans Roleder, die Schule zu schwänzen. Diesen Jungen, zehn Jahre alt ist er zu Beginn, als Hauptfigur des Buches zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Er ist im Grunde die einzige Figur, alle anderen Personen werden allein aus seiner Sicht und auf ihn hin beschrieben.
Der Autor Dirk Gieselmann, der bisher vor allem journalistisch gearbeitet hat und mit dem „Inselmann“ jetzt seinen Debütroman vorlegt, hat genau dafür ein großes Talent: Geschichten aufblitzen zu lassen, sie anzureißen, vor dem inneren Auge der Leser*in schon aufflackern zu lassen – und sie dann aber eben nicht auszuführen.
Sehnsucht nach Kargheit Wieder Naturwahrnehmungen, diesmal wie geträumte. Dieser Übergang von der realen Naturschilderung zur imaginierten ist eine Kernbewegung dieses Romans. Irgendwann weiß man gar nicht mehr, ob es die reale Insel in all ihrer Kargheit ist, die sich zum Sehnsuchtsort für Hans entwickeln wird, oder die geträumte Insel. Am Anfang wird klar, dass seine Eltern Hans mit auf die Insel zwingen; am Schluss wird er freiwillig allein auf ihr bleiben.
Insgesamt dreht sich der Roman schließlich in eine Flucht hinein, in eine Flucht nach innen und auf die Insel. Mit der übrigen Welt will Hans Roleder irgendwann nichts mehr zu tun haben. Eskapistisch kann einem dabei aber auch der Roman selbst irgendwann vorkommen. Mögliche Anschlüsse an gängige Dramaturgie oder aktuelle Themen scheint es jedenfalls geradezu zu verweigern.